Entdeckungsreise Pfalz Teil 1
21. November 2018 | Landgänge
Eine Wanderwoche in den pfälzischen Weinbergen hatten wir geplant. Leider ließ sich das 2018 terminlich nicht realisieren. Auf Einladung der Pfalzwein e. V. haben wir stattdessen Anfang November sozusagen einen Crash-Kurs Pfalz erleben dürfen: Sechs Vinotheken, 13 Winzer und ein „Herbstliches Kamingespräch“ am Abend – die Pfalz von Süd nach Nord in nur einem Tag!
Achtung: Dieser Beitrag enthält Werbung für die Pfalz und Pfälzer Weingüter… zu Risiken und Nebenwirkungen befragen Sie bitte den Winzer Ihres Vertrauens…
Nie hätte ich geglaubt, dass man sich in so kurzer Zeit einen (Mini)Überblick über Deutschlands zweitgrößte Weinbauregion verschaffen kann. Unser Dank geht an dieser Stelle noch einmal an die Pfalzwein e.V. für die ausgezeichnete und ausgeklügelte Organisation der Tour. Die Pfalz ist bekannt für einige der besten Rieslinglagen Deutschlands, sie verläuft von Rheinhessen bis an die französische Grenze im Elsass. Das Herzstück des pfälzischen Weinbaus ist die sogenannte Mittelhaardt, südlich davon verläuft die malerische „Südliche Weinstraße“. Und mein liebster Kapitän und ich waren bei traumhaftem Herbstwetter mittendrin…
10.00 Uhr Hotel Kollektur
Mit unserer verhältnismäßig langen Anreise waren wir schon am Abend vor der Vinotheken-Tour angekommen. Das geschichtsträchtige Hotel Kollektur im Zellertal ist eine ideale Ausgangslage für Touren in die Pfalz, aber auch nach Rheinhessen. Das Gebäude von 1752 wurde im Jahre 2002 komplett saniert. Das alte, barocke Gemäuer wurde behutsam in ein modernes Landhotel mit 15 Zimmern und einem schönen Restaurant im mediterranen Stil umgewandelt. Die „WeinWirtschaft“ bietet regionale Spezialitäten an und vertritt den Slow Food Gedanken. Der erste „Pfälzer Saumagen“ meines Lebens hat mir dort übrigens sehr, sehr gut geschmeckt…
11.00 Uhr Voegelis WeinNest
Unsere erste Station führt uns ganz in den Süden der Pfalz nach Landau-Wollmesheim. Es erwartet uns ein sehr modernes, großes Weingut inmitten einer wunderschönen Rebenlandschaft. Von der Terrasse und durch die großen Panorama-Fenster hat man einen fantastischen Rundum-Blick von der Madenburg über die Kleine Kalmit bis auf das Hambacher Schloss. Die Architektur vermag von außen nicht so recht zum kuscheligen Namen „Vögelis WeinNest“ passen. Aber, so kantig und schartig das Gebäude von außen aussieht, so luftig, leicht und modern wirkt es von innen.
„Das Gebäude ist so wie wir selbst: geradeaus und ohne Schnörkel. Genau so haben wir es uns vorgestellt und nach 18-monatiger Bauzeit umgesetzt. Wir haben alles richtig gemacht“, erklärt uns die sympathische Christel Vögeli. Sie und ihr Mann haben sich einen Traum verwirklicht. 2014/2015 entstand das neue Weingut mit Produktionshalle, Fass- und Flaschenlager, Brennerei, Vinothek mit großer Sonnenterrasse und Räumen für Weinpräsentationen auf mehr als 5.000 Quadratmetern.
Im Wein-Restaurant Vögelis WeinNest können bis zu 50 Gäste den herrlichen Ausblick auf die Weinberge bei erlesenen Weinen und frisch zubereiteten Speisen genießen. Die Sonnenterrasse bietet 50 weitere Sitzplätze mit einzigartigem Blick auf die Reben-, Wald- und Burgenlandschaft. Ein idealer Ort für Events jeglicher Art. Wen wundert’s dass die Location für Veranstaltungen bereits bis 2020 ausgebucht ist. „Für Übernachtungen in einem unserer fünf Gästezimmer haben wir aber für die nächste Wander-Saison noch freie Termine, insbesondere unter der Woche. Natürlich haben alle Zimmer einen eigenen Balkon“, strahlt uns Christel Vögeli an und innerlich haben wir schon die Buchungs-Anfrage vor Augen…
2018 war ein außergewöhnlicher Jahrgang. Christel Vögeli erzählt uns, es habe während der Lese von Ende August bis in die ersten Oktobertage nur eine einzige Regennacht gegeben. So sei es eine gesunde Lese bis zum letzten Tag gewesen. Eben außerordentlich. Genauso außerordentlich wie die Landschaft, in der das Gut liegt.
12.30 Uhr Weingut Borell-Diehl
Unsere Tour führt uns weiter entlang der Südlichen Weinstraße nach Hainfeld zum Weingut Borell-Diehl. Wenn Bauen im Bestand und das Verbinden von alter Bausubstanz mit modernen Elementen irgendwo gelungen ist, dann hier. Wir haben selbst viele Jahre in einem denkmalgeschützten Reetdachhaus gelebt, und ich weiß, wovon ich spreche. Der Umgang mit altem Gemäuer, den zuständigen Behörden und die Akzeptanz „im Dorf“ können sehr schwierig sein. Bei den Borell-Diehls ist das in jedem Fall erstklassig gelungen.
Der Stammsitz besteht aus zwei Fachwerkhäusern aus den Jahren 1619 und 1738. Natürlich stehen die Gebäude unter Denkmalschutz und fügen sich harmonisch in das barocke Ortsbild ein. 2007 kam eine moderne Produktionsstätte im Außenbereich hinzu. In enger Abstimmung mit der Denkmalbehörde wurden 2014/2015 Gebäude aus den 50er und 60er Jahren abgerissen und ein kubisches Gebäude für den Probenraum und das Verkaufslager konzipiert. Die neue Vinothek mit ihrer puristischen Bauweise bildet einen wunderbaren Kontrast zu den barocken Häusern der Umgebung. Ein Beweis dafür, dass moderne Architektur im historischen Ortskern kein Widerspruch sein muss.
Weintechnisch ging es auch bei Borell-Diehl mit Verkostungen von drei Weingütern mit je zwei Weinen weiter. Wer rechnen kann, weiß an dieser Stelle Bescheid. Neben den hoch ausgezeichneten Weinen des eigenen Betriebes stellten sich hier auch die beiden jungen Winzer Fritz & Ulli vor, die echte Geschichten zu erzählen haben. Ihren Spätburgunder namens „Mambo“ kündigten sie bei der Verkostung so an: „Mambo! heißt auf Swahili so etwas wie „Ey, Alder! Was geht? Wir haben hier einen leichten, saftigen Pinot im Glas, mit Cassis, dezenten Wald-Aromen und einem Hauch tansanischer Vanille. Wenn Sie mal schnuppern…“ – und hier unterbricht Georg Borell-Diehl souverän mit dem Einwurf: „Dann rieche ich in erster Linie Kork“. Kann passieren, erschüttert die Abenteuer-erprobten, sympathischen Jungwinzer jedoch wenig. En passant hieß es: „Ist halt ein Naturprodukt…“ und schon war eine neue Flasche geöffnet und der Wein ausgeschenkt. „Mambo!“
Die Geschichte über den tansanisch inspirierten Wein war natürlich noch nicht am Ende, aber das ist Stoff für einen ganz eigenen Beitrag – demnächst…
14.00 Uhr Lounge im Weinkontor
Zum Mittagessen kehren wir in Edenkoben ein. Die Entdeckungsreise Pfalz geht weiter. Im Weinkontor Edenkoben eG haben sich seit mehr als 90 Jahren rund 80 Winzerfamilien zusammengetan. Sie bewirtschaften etwa 100 Hektar Rebfläche und sorgen für erstklassiges Lesegut. Beste Weine und Sekte werden in den Kellern veredelt.
Seit Mitte Juli 2018 existiert die neue Lounge im Weinkontor. Der halbrunde Bau mit der großen Außenterrasse ist modern, hell und schick. Hier fühlt man sich wohl. Warum nur, fragen mein Kapitän und ich uns, ist so etwas bei uns im Norden so anders, warum muss beispielsweise Gastronomie in der Lüneburger Heide, einem anderen wunderschönen Wandergebiet der Republik, so angestaubt sein. Da hat die Pfalz dem Norden gegenüber in jedem Fall einen meilenweiten Vorsprung!
Der Geschäftsführer Uwe Krapp erläutert uns das architektonische und gastronomische Konzept der Lounge im Weinkontor. Der moderne Bau fügt sich harmonisch in die Landschaft und unter die majestätische Krone einer über 200-jährigen Libanon Zeder. Man ist stolz auf den Standort und diesen besonderen Baum, so hat er es sogar auf das Logo der Lounge geschafft. Auf der Speisekarte finden sich pfälzische Spezialitäten und wechselnde saisonale Gerichte. Wen wundert’s dass wir herbstlich passend saftigen Zwiebelkuchen und anderes erstklassiges Fingerfood genießen durften. Vom Wein gar nicht zu reden…
Zugegebenermaßen sind wir als Norddeutsche von der Fülle der Eindrücke und auch von der Fülle der bislang schon verkosteten Weine ein wenig erschlagen. Es fällt zunehmend schwerer, Unterschiede und Merkmale herauszuschmecken und seine Geschmacksnerven immer wieder auf’s Neue zu fokussieren. Schließlich sind wir keine Profis. Doch es liegen noch drei weitere Stationen auf der Entdeckungsreise Pfalz vor uns und was wir bisher gesehen und geschmeckt haben, war fantastisch. Am allermeisten hat uns aber die Freundlichkeit und Herzlichkeit der Pfälzer selbst beeindruckt!
Den zweiten Teil unserer Entdeckungsreise Pfalz findest du hier.
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Keine Frage, dass die Pfalz eine der schönsten Landstriche Deutschlands ist. Darüber hinaus findet man hier in urigen und historischen Anwesen nicht nur nette Leute, sondern auch kulinarische Vielfalt „vom Feinsten“… und Weine, die im Reigen der großen Gewächse einen nicht kleinen Platz einnehmen.
Dass jetzt in den letzten Jahren die sogenannten Wein-Lounges und Vinotheken – mit reichlich Fördergelder – wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, macht die Weinstraße, nach meiner Auffassung, nicht unbedingt attraktiver. Menschen, die in solchen „Locations“ zu finden sind – so habe ich es erlebt -, haben, während sie ein vermeintlich kennerisches „spitzes“ Schnütchen machen, eher das Bedürfnis zu sehen und gesehen zu werden.
Das urtümliche Flair der Pfälzer Weinstube ist dort nicht zu finden – schade…
Wenn man sich die an historischen Gemäuern oft angeklebten futuristischen Gebäude anschaut, bekommen Denkmalpfleger Tränen in die Augen. Lobby und Gelder machen es möglich… Der wirtschaftliche Aspekt kann zwar nicht die Tränen trocknen aber er macht halt die Taschen voll – und nur das zählt heute noch!
Jedem Besucher der Pfalz wünsche ich dennoch schöne Tage. Es lohnt sich, wenn man sich die Mühe macht und echte Pfalz sucht.
Franz E. Reis, Schifferstadt
Lieber Herr Reis,
vielen lieben Dank für Ihren Kommentar. Ich kann Ihren Unmut über die Veränderungen, die sich in der Region vollziehen, in gewissem Umfang nachvollziehen. Das urtümliche Pfälzer Flair haben wir beispielsweise in der Weinstube Rabennest in Speyer sehr genossen. Dennoch bin ich der Meinung, es tut einer Region nicht gut, wenn sie ausschließlich das Urtümliche bewahrt und sich nicht zu verjüngen versteht. Das haben wir beispielsweise bei uns in Norddeutschland in der Lüneburger Heide bei einer sechstägigen Wanderung erlebt. Dort ist die Gastronomie und Hotellerie leider fast ausnahmslos überhaupt nicht am Puls der Zeit. Wir konnten uns dort – trotz der phänomenalen Landschaft – nicht rundum wohl fühlen. Den Artikel dazu können Sie, wenn Sie mögen, ebenfalls auf meinem Blog nachlesen.
Meines Erachtens ist es zu einfach, die Architektur verantwortlich für das gesellschaftliche Bedürfnis nach „Sehen und Gesehen werden“ zu machen. Ich kann den Standpunkt verstehen, aber ich finde den Dialog Denkmal zu Futurismus sehr spannend (und bei den Vinotheken, die wir gesehen haben, insbesondere beim Weingut Borrel Diehl, war dieser sehr gelungen!). Ich liebe die Kontraste, wenn sie gut gemacht sind, wenn sie nicht einem Selbstzweck dienen.
Letztendlich ist es sicherlich Geschmackssache: Und der Wein hat uns unabhängig von der Architektur stets gut gemundet und die Pfälzer Landschaft ist einmalig…
Viele Grüße in die Pfalz
Bettina Wiebe
Traurig, dass immer nur die Südpfalz als „die Pfalz“ wahrgenommen wird. Warum berichtet ihr nicht von dem Weg vom Zellertal nach Landau? Die nördliche Weinstraße ist noch „unberührter“, touristisch nicht so überlaufen und hat nicht weniger zu bieten.
Grüße aus Grünstadt
Heike
Liebe Heike,
ich beschreibe in den beiden Teilen „Entdeckungsreise Pfalz“ genau den Weg von Landau nach Zellertal. Schau doch mal in Teil 2… Gerade die Zellertaler Gegend hat uns sehr gefallen!
Viele Grüße
Bettina
Hi, danke für den schönen Bericht 🙂 Ich liebe das Wandern und Einkehren in Weingebieten! Ich musste allerdings hier über Franz Kommentar grinsen: „Wenn man sich die an historischen Gemäuern oft angeklebten futuristischen Gebäude anschaut, bekommen Denkmalpfleger Tränen in die Augen.“ Das habe ich auch schon gelegentlich gedacht. Muss das denn bisweilen so hässlich aussehen in Deutschland??! In Italien und Frankreich liebt man seine alten Gebäude und selten verschandelt man sie mit diesen unglaublichen Neubauten. Wir sagen immer „Labor“ oder „Raketenabschussbasis“ zu sowas… Man ist ja nicht automatisch altmodisch, wenn man diese architektonischen Auswüchse abstoßend findet?! Das findet sich übrigens genauso in anderen Weinregionen, z. B. Rheingau… Feingefühl für sowas wie ein architektonisches Gesamtbild fehlt leider mithin. Liebe Grüße Simone
Liebe Simone,
vielen Dank für dein Feedback zu meinem Beitrag über die Pfalz. Schön, dass der Artikel dir gefällt.
Beim Thema moderne Architektur in Verbindung mit alten traditionellen Weingütern scheiden sich offenbar die Geister. Wie ich schon auf Franz Kommentar geantwortet hatte, finde ich es gut, dass die Region nicht in einer Art Dornröschenschlaf verharrt, sondern sich der Moderne öffnet. Die Weine haben ja ebenfalls eine Veränderung über die Jahrzehnte erfahren.
Das Schöne aber ist, dass jeder seine eigene Sicht auf die Dinge haben kann und wir uns darüber austauschen.
Herzliche Grüße
Bettina
Liebe Simone,
ich hatte schon vergessen, dass ich vor Jahren diesen Beitrag verfaßt habe.
Schön, dass es Menschen gibt die ähnlich empfinden. Ich bin „Urpfälzer“ und empfehle jedem, die Pfalz dennoch zu besuchen. Es lohnt sich allemal..
Herzliche Grüße
Eric Reis
PS auch Grüße an Bettina Wiebe, die in ihrer „Ansicht“ über die Pfalz wohl doch allgemeines Interesse geweckt hat.
Lieber Eric,
in der Zwischenzeit haben wir als „Ur-Norddeutsche“ die Pfalz mehrfach besucht, sind u. a. den Pfälzer Weinsteig gewandert und blicken auf viele schöne Erlebnisse zurück. In einem Interview habe ich einmal gesagt: „Wir haben uns schockverliebt in die Pfalz!“ Und das ist auch so geblieben, hat sich vielleicht sogar noch gesteigert.
Ich freue mich wirklich, dass mein Blog-Beitrag über die Pfalz gelesen und – zuweilen auch kritisch – diskutiert wird. Wir müssen nicht alle der gleichen Meinung sein, aber schön ist es, wenn wir uns darüber austauschen.
Beste Grüße
Bettina